Erfahrungen nach dem Tod des Sohnes
Am 02.09.1999 verloren wir unseren Sohn Oliver. Er starb noch an der Unfallstelle an den Folgen eines Motorradunfalls. Oliver wurde nur 26 Jahre alt.
Die Nachricht seines Todes erreichte mich in Amsterdam. Ich war mit drei Freunden seit sechs Tagen mit einem Segelboot unterwegs. Wir hatten uns gerade in einem chinesischen Speiselokal zum Abendessen niedergelassen, als meine Tochter mir auf dem Handy die grausame Tatsache mit den Worten mitteilte: "Papa, Oliver ist mit dem Motorrad tödlich verunglückt!"
Die Zeit, bis ich dann endlich mitten in der Nacht zu Hause war, verlief wie im Alptraum. Irgendwann gegen Morgen bin ich wohl vor Erschöpfung eingeschlafen. Ich träumte, dass Oli an meinem Bett stand. Er sagte: "Hallo Papa!" - Ich wusste, dass ich träume. Es war ein Zustand, den die Psychologen - soweit ich weiß - als "luziden Traum" bezeichnen. Der Träumende ist sich des Träumens bewusst und ist auch in der Lage, das Traumgeschehen zu beeinflussen.
Als ich Oli sah, empfand ich das zunächst als völlig normal. Aber dann kam mir urplötzlich die Erkenntnis, dass Oli gestorben war. Dass er dann trotzdem so real vor mir am Bett stand, jagte mir einen riesigen Schrecken ein. Ich war von einem Moment auf den anderen hellwach und saß aufrecht im Bett.
Rückblickend habe ich mich noch oft über meine Reaktion geärgert. Ich weiß nicht, ob man dieses Erlebnis als Nachtodkontakt einordnen kann. Sollte es aber so gewesen sein, hat mein Sohn von diesem Zeitpunkt an nie wieder in dieser klaren Form versucht, mit mir in Kontakt zu treten. Ich erkläre es mir so, dass - sofern Nachtodkontakte wirklich sind - er mir nie wieder solch einen Schrecken einjagen wollte.
In den Monaten nach dem Unfall war ich seelisch völlig aus dem Gleichgewicht geworfen. Ich glaube, diese tiefe Trauerdepression hatte dazu geführt, dass ich für viele Dinge sensibler war als in "normalen" Zeiten. So glaube ich, Oli öfter in meiner Nähe gespürt zu haben. Merkwürdigerweise geschah das häufig, wenn ich allein mit dem Auto unterwegs war. Manchmal war es mir, als säße er neben oder hinter mir. Diese Erlebnisse haben mein bis dahin ziemlich gefestigtes Weltbild gründlich ins Wanken gebracht. Für mich war es höchst unwahrscheinlich, dass nach dem Tod noch irgendetwas folgen könnte. Heute sehe ich das anders. Nach allem, was ich seitdem erlebt, erfahren und gelesen habe, erscheint es mir viel wahrscheinlicher, dass nach dem Tod noch etwas folgt, was immer es sein mag.
Wolfgang Paumen