Nach dem Tod

gesehen, gefühlt, berührt - über den Tod hinaus

Text und Bilder Dorothea Stockmar


Wie ein ganz gewöhnlicher Verlust die Suche des Verlorenen nach sich zieht, wird ein Mensch, der diese Welt verlassen hat, von seinen Hinterbliebenen aufgesucht (und dies nicht nur auf Friedhöfen). Meine Suche in der Trauer um den plötzlichen Tod meines geliebten Kindes führte mich bis an die Grenzen meiner Selbst. In vielen Nächten, in denen ich keinen Schlaf finden konnte, erfuhr ich eine andere Form des Bewusstseins. Es war ein klares, tiefes Eintauchen in einen Zustand jenseits von Zeit und Raum, welcher kein Traum war.

In diesen Nachtstunden begegnete ich noch einmal meinem Kind. Es entstand ein Dialog, der mir Trost vermittelte, ohne mich auf ein Jenseits zu vertrösten. Die Gedanken und Gefühle, die sich aus der Begegnung mit meinem verstorbenen Kind ergaben, stellten für mich einen unumgänglichen Meilenstein auf meinem Weg der Trauer dar. Noch einmal konnte ich meinem Kind nah sein, als ich seine Worte vernahm:

"Als Schatten meiner selbst trete ich dir gegenüber, dich grüßend, als sei es das das letzte und gleichzeitig erste Mal. Jetzt hast du die Chance, mir das anzuvertrauen, was du mir schon immer sagen wolltest. Ich werde dir in Gedanken, Gefühlen und Träumen nah sein. Wie eine Welle vom fremden Ufer rolle ich heran. Doch sieh zu, dass sie dich nicht fortspült, wie mich, als du dachtest, mich für immer zu verlieren. Von Zeit zu Zeit nur werde ich einen Gedanken, einen Impuls zu dir hinüber senden, damit du mich nicht vergisst. Denn ihr sollt die Toten nicht vergessen. Sie brauchen einen Platz unter den Lebenden. Wir, die Toten, leben in einer anderen Welt, sind auf einer anderen Frequenz erreichbar. Ich, als dein geliebtes Kind, werde dir zur Seite stehen, wann immer du nach mir verlangst."

Was mir da zugetragen wurde, übersteigt mein Fassungsvermögen. Botschaften meines verstorbenen Kindes? Diese Begegnung war es, die mir den Eindruck vermittelte, als bauten wir nicht nur an unserem irdischen, vergänglichen Glück. Ich ließ mich ein in das unbeschwerte Spiel einer bisher noch recht dünn beseelten Welt. Eine Welt, die mir im Traum als parallele, jenseitige Welt erschien. Eine Welt, in der sich all das ereignen konnte, was auf Erden nicht möglich war, in der Erkenntnis eines anderen, allumfassenden Bewusstseins.

 

Nachtodkontakte

Dorothea Stockmar, "geneigt", 70x100 cm, Mischtechnik, 2010

 

 

wenn einst in lichtem Morgenweh’n

das Tor der Zeit geöffnet himmelwärts,

wenn Dinge, welche endlich uns umkreisen,

sich neigen einem offnen Ohr,

führt Liebe uns zu neuem Sein

 

 

Nachtodkommunikation

was bleibt mir denn,

als nur zu glauben,

dass du es seiest,

der noch in tiefem Schweigen

ganz deutlich zu mir spricht

 

 

 

 

 

Dorothea Stockmar, "was bleibt", 100x70 cm, Acryl, 2010

 

 

Dorothea Stockmar

DOROTHEA STOCKMAR

geb. 1953 in Beuthen, Referentin mit Schwerpunkthemen Kommunikation, Sprachbilder - Bildsprache, symbolisch-kreative Impulse zur Trauerbewältigung. Ausgebildete Sterbe- und Trauerbegleiterin, langjährige ehrenamtliche Tätigkeit in der Hospizbewegung, Praktikum in einem buddhistischen Hospiz in Japan.

Nach kunsttherapeutischen Fortbildungen Widmung eigenem künstlerischen Schaffen. Verarbeitung eigener Trauer in ihrem Buch "Ein Netz, das trägt", in Bildern und Texten nach dem plötzlichen Tod ihres jüngsten Kindes (Santiago Verlag 2010), sowie zu einer Gemeinschaftsveröffentlichung mit Juliane Grodhues unter dem Titel "Wie eine Welle vom anderen Ufer - Nach-Tod-Begegnungen zwischen Kunst und Psychotherapie" (MEDU Verlag 2011).

Das neueste Buch von Dorothea Stockmar, "Anker, Kuh und Kompass", befasst sich mit Trauersymbolen, die zu Hoffnungssymbolen werden können. Ein Buch, das mit Symbolik und gestalterischen Möglichkeiten Hilfe in der Trauer bietet.

Website: www.stockmar-kunst.de

 

Bildergalerie von Dorothea Stockmar: Nachtod-Begegnungen bildlich

 

Persönlicher Erfahrungsbericht von Dorothea Stockmar über die IADC-Therapie nach Dr. Allan Botkin

 

Copyright sämtliche Bilder und Texte: Dorothea Stockmar

Wie ein ganz gewöhnlicher Verlust die Suche des Verlorenen nach sich zieht, wird ein Mensch, der diese Welt verlassen hat von seinen Hinterbliebenen aufgesucht. (Und dies nicht nur auf Friedhöfen) Meine Suche in der Trauer um den plötzlichen Tod meines geliebten Kindes führte mich bis an die Grenzen meiner Selbst. In vielen Nächten, in denen ich keinen Schlaf finden konnte, erfuhr ich eine andere Form des Bewusstseins. Es war ein klares, tiefes Eintauchen in einen Zustand jenseits von Zeit und Raum, welcher kein Traum war.

In diesen Nachtstunden begegnete ich noch einmal meinem Kind. Es entstand ein Dialog der mir Trost vermittelte, ohne mich auf ein Jenseits zu vertrösten. Die Gedanken und Gefühle, die sich aus der Begegnung mit meinem verstorbenen Kind ergaben, stellten für mich einen unumgänglichen Meilenstein auf meinem Weg der Trauer dar. Noch einmal konnte ich meinem Kind nah sein, als ich seine Worte vernahm:

„Als Schatten meiner selbst trete ich dir gegenüber, dich grüßend, als sei es das das letzte und gleichzeitig erste Mal. Jetzt hast du die Chance, mir das anzuvertrauen, was du mir schon immer sagen wolltest. Ich werde dir in Gedanken, Gefühlen und Träumen nah sein. Wie eine Welle vom fremden Ufer rolle ich heran. Doch sieh zu, dass sie dich nicht fortspült, wie mich, als du dachtest, mich für immer zu verlieren. Von Zeit zu Zeit nur werde ich einen Gedanken, einen Impuls zu dir hinüber senden, damit du mich nicht vergisst. Denn ihr sollt die Toten nicht vergessen. Sie brauchen einen Platz unter den Lebenden. Sie --- sie leben in einer parallelen Welt, auf einer anderen Frequenz, oder in einem anderen Kanal erreichbar. Ich, als dein geliebtes Kind, werde dir zur Seite stehen, wann immer du nach mir verlangst.“

Was mir da zugetragen wurde übersteigt mein Fassungsvermögen. Botschaften meines verstorbenen Kindes? Diese Begegnung war es, die mir den Eindruck vermittelte, als bauten wir nicht nur an unserem irdischen, vergänglichen Glück. Ich ließ mich ein in das unbeschwerte Spiel einer bisher noch recht dünn beseelten Welt. Eine Welt, die mir im Traum als parallele, jenseitige Welt erschien. Eine Welt, in der sich all das ereignen konnte, was auf Erden nicht möglich war, in der Erkenntnis eines anderen, allumfassenden Bewusstseins.